Entstehung, Ablauf und Bedeutung des Aktionspotentials
Das Aktionspotential ist ein elementarer Bestandteil der Reizweiterleitung innerhalb einer Nervenzelle. Wenn ein adäquater Reiz eine Sinneszelle aktiviert, entsteht ein Aktionspotential, das auf Nervenbahnen über das Rückenmark, zum Gehirn und von dort aus zu ausführenden Organen, beispielsweise Muskelzellen, weitergeleitet werden kann. Bei einem Aktionspotential handelt es sich um eine messbare elektrische Erregung, bei der die Spannung des zuvor innerhalb einer Nervenzelle aufgebauten Ruhepotentials schlagartig freigegeben wird.
Was ist ein Aktionspotential?
Eine Nervenzelle kann sich entweder im Zustand des Ruhepotentials befinden: Die Nervenzelle ist "gespannt" wie ein Bogen, und jederzeit bereit den Pfeil abzufeuern, oder die Nervenzelle "feuert" den Bogen mit der "Spannung" des Ruhepotentials ab.
Wir sehen, dass dem Aktionspotential immer ein Ruhepotential vorausgehen muss. Ebenso baut die Nervenzelle nach einem "abgefeurten" Aktionspotential sofort wieder ein Ruhepotential auf, um für eine weitere Reizweiterleitung bereit zu sein.
Im Ruhepotential befindliche Nervenzellen haben polarisierte Zellmembranen. Die Membranspannung beträgt -70mV. Außerhalb der Membran liegen positiv geladene Natrium-Ionen und negativ geladene Chlorid-Ionen. Innen befinden sich positiv geladene Kalium-Ionen und negativ geladene organische Anionen. Dieses Ungleichgewicht stellt die Nervenzelle selbst her, indem sie unter ATP-Verbrauch mittels in der Zellmembran eingearbeiteten Natrium-Kalium-Pumpe (Transportproteine, aktiver Transport) diese Membranspannung ständig aufrecht erhält.
Die jeweils auf eine Seite der Zellmembran transportierten Ionen diffundieren aufgrund der unterschiedlichen Ladungsverteilung nicht einfach von der Nervenzellmembran weg, sondern sie ziehen sich gegenseitig an wie zwei Magnete durch ein Blatt Papier hindurch. Diese ungleiche Ladungsverteilung ergeben die elektrisch Messbare "Spannung": Das Ruhepotential.
Erreicht eine ausreichend große (überschwellige) Erregung den Axonhügel der Nervenzelle, erfolgt nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip das "Abfeuern" der aufgebauten Spannung. Diese Erregung wird über das Axon bis bis zu den gegenüberliegenden Dendriten weitergeleitet. Den Ablauf eines Aktionspotentials lässt sich in vier Phasen einteilen:
Depolarisation
Von einem oder mehreren synaptischen Endknöpfchen einer Nervenzelle erreichen Neurotransmitter den Bereich der postsynaptischen Membran. Dort führen sie zur Öffnung von Calcium-Ionenkanälen, wobei Calcium-Ionen einströmen können. Sie diffundieren in Richtung des Axonhügels. Da Calcium-Ionen doppelt positiv geladen sind, verringert sich die Membranspannung. Einige spannungsgesteuerte Ionenkanäle in der Nähe des Axonhügels öffnen sich daraufhin und lassen Natrium einströmen. Dies geschieht ohne Energieaufwand, da die Innenseite der Membran negativ geladen ist.
Durch das Einströmen der positiv geladenen Natriumionen verringert sich die Membranspannung hinter dem Axonhügel. Diese schlagartig abfallende Membranspannung am Axonhügel nennt man Depolarisation. Doch nicht jede Depolarisation löst sofort weitere Prozesse aus. Der eingehende Reiz muss groß genug sein, sonst käme es ständig zu versehentlich ausgelösten Aktionspotentialen (vgl. Epilepsie).
Die Depolarisation der Membran erreicht bei -55mV den sogenannten Schwellenwert, bei dem sich alle spannungsaktivierbaren Natriumkanäle automatisch öffnen. Unterhalb dieser Schwelle wird kein neues Aktionspotenzial in der Nervenzelle ausgelöst und die Erregungsweiterleitung stoppt in diesem Fall.
Ab Erreichen von -55mV beschleunigt sich die Depolarisation stark und die Membranspannung kehrt sich ins Gegenteil um bis ca. +30mV durch das schlagartige Einströmen von enormen Mengen an Natrium-Ionen in das Axon der Nervenzelle. Die negativ geladenen Chlorid-Ionen können die Membran hingegen nicht passieren und verbleiben außerhalb der Zellmembran, während sich im Inneren des Axons die positiv geladenen Ionen per Diffusion zu den Nachbarregionen bewegen und in Richtung der Dendriten immer weitere Kanäle öffnen.
Repolarisation
Durch die ungleiche Ladungsverteilung werden die Natrium-Ionen durch die Kanäle wieder hinausgedrückt und gleichzeitig öffnen sich die etwas trägeren Kalium-Kanäle, sodass positiv geladene Ionen wieder nach außen gelangen. Die Membran wird also wieder repolarisiert.
Hyperpolarisation
Während sich die Natriumkanäle schnell nach der Depolarisation wieder schließen, lassen die Kalium-Kanäle weiter Ionen nach außen. Durch die Trägheit der Kalium-Ionenkanäle kommt es nach einem Aktionspotential zu einer sehr starken Polarisation, die bis -90mV erreichen kann.
Wiederherstellung des Ruhepotentials
Vor dem Aktionspotential befanden sich Natrium und Chlorid außerhalb der Nervenzelle, während sich Kalium und Anionen innen befanden. Nun haben die Kalium- und Natrium-Ionen gewissermaßen die Plätze getauscht. Im Anschluss an die Hyperpolarisation wird das Gleichgewicht durch Natrium-Kalium-Pumpen aktiv wiederhergestellt. Dazu wird Energie in Form von ATP aufgewendet. Die Membranspannung wird wieder auf -70mV eingestellt.
Aktionspotentiale kennen nur eine Richtung
Das Aktionspotenzial verläuft entlang des Axons immer von den synaptischen Endknöpfchen zu den Dendriten hin. Es ist eine Kettenreaktion, die sich selbst erhält und innerhalb der Nervenzelle nicht abgeschwächt wird. Bei der Depolarisation diffundieren die Natrium-Ionen im Axon in beide Richtungen, jedoch sind die zuvor aktivierten Natriumkanäle in Richtung des Axonhügels zu diesem Zeitpunkt in der sogenannten Refraktärzeit. Sie sind noch nicht wieder aktivierbar, weil die Repolarisation noch im Gange ist und die ursprünglichen Ladungsverhältnisse noch nicht wiederhergestellt wurden. Dies verhindert, dass Erregungen in zwei Richtungen weitergeleitet werden können.
Innerhalb des Körpers entstehen so durchgehende Nervenbahnen, die von Sinneszellen zum Rückenmark auf sogenannten afferenten Nervenbahnen, zu verarbeitenden Gehirnarealen die Aktionspotentiale leiten. Das Muster an Aktionspotentialen wird dort interpretiert und wiederum ein Muster an Aktionspotentialen von dort an efferente Nervenzellen geschickt, die verschiedene Muskeln zur Kontraktion oder Relaxation bringen.
Das System von Ruhepotential und Aktionspotentialen beruht auf elektrischen Umkehrprozessen, wobei die Wiederherstellung eines elektrischen Ungleichgewichts zwischen Innen- und Außenseite der Nervenzellmembran unter Energieaufwand immer sofort auf ein Aktionspotential folgt. Aktionspotentiale sind dabei immer gleich stark. Unterschiedliche Reizstärken werden über schneller aufeinander folgende Aktionspotentiale verdeutlicht.