Medizinstudium - Aussichten, Inhalte, Zugangswege

Es ist der Traum schlechthin: Nach dem Abitur ins Medizinstudium. Verantwortung tragen, lebenswichtige Entscheidungen treffen und ein hohes Maß an Anerkennung genießen (vom mehr als auskömmlichen Lohn ganz zu schweigen). Zehntausende Wartende scheinen dieses Bild zu belegen, denn auf einen freien Studienplatz in Deutschland kommen dutzende Bewerber. Was steckt dahinter? Was bedeutet es eigentlich Medizin zu studieren, was erwartet einen im Studiengang, wie geht es danach weiter und vor allem: Wie gelangt man überhaupt an einen der begehrten Studienplätze? Wir haben mit Wartenden, Medizinstudenten und einer Anästhesistin gesprochen und bringen Licht ins Dunkel.

Der Weg zum Medizinstudium
Welche Zugangsvoraussetzungen für ein Medizinstudium wichtig sind, und wie man einen Studienplatz bekommt

Zu wenige Plätze für zu viele Interessenten

Das Medizinstudium, genauer die Humanmedizin, ist seit einigen Jahren in aller Munde. Etwa 11.000 Studienplätze werden im Jahr an deutschen Universitäten an Studenten vergeben, der Großteil davon im Wintersemester. Darauf bewerben sich etwa 60.000 Interessenten pro Jahr. Auf einen freien Studienplatz kommen also etwa 6 Bewerbungen. Mehrere tausend Bewerber versuchen es jedes Jahr wieder, zählen damit als Wartende.

Studienplätze in Humanmedizin gelten daher als die umkämpftesten überhaupt. Ist die Entscheidung Arzt zu werden gefällt muss also mit einem harten Weg ins Studium gerechnet werden. Wer den erforderlichen Numerus Clausus nicht mitbringt (aktuell an allen deutschen Universitäten maximal 1,0) hat prinzipiell einmal schlechte Karten direkt nach der Schule ins Traumstudium einsteigen zu können. Doch es gibt mittel und Wege. Neben inländischen Universitäten war längere Zeit ein Studium im Ausland wie beispielsweise Rumänien, Bulgarien oder Polen Trend. Hier wird Humanmedizin im vorklinischen Teil auf Deutsch gelehrt. Viele Studierende wechselten danach in höhere Semester zurück nach Deutschland. Doch genau wie das Studium an einer privaten Universität in Deutschland braucht der Weg zum Arzt am bulgarischen Goldstrand vor allem eins: Geld. Und davon reichlich. Diese Option ist also auch nicht jedem vergönnt.

Also beleuchten wir zunächst einmal die an deutschen Universitäten verfügbaren Zugangswege zu einem Medizinstudium, und erläutern dir die Einzelheiten.

Zugangswege zum Medizinstudium an öffentlichen Universitäten in Deutschland

Das Vergabe der Medizinstudienplätze wird in Deutschland zentral von der sogenannten Stiftung für Hochschulzulassung koordiniert. Die Wurzeln der Stiftung finden sich in den 60er-Jahren, da hohe Bewerberzahlen an westdeutschen Universitäten zu Überhängen und damit großen Zahlen an Ablehnungen führten. Als Folge bewarben sich verzweifelte Abgelehnte an etlichen Universitäten in Deutschland (und fuhren dabei quer durchs geteilte Land), um ihre Chancen zu erhöhen. Dadurch kam es zu einem unsäglichen Chaos, da Bewerber gleich mehrfache Zusagen erhielten die umgehend wieder abgesagt wurden. Der verwalterische Aufwand war unermesslich, da das Nachbesetzen der ständig wieder frei werdenden Plätze Wochen und Monate dauern konnte.

Um Ordnung in das Chaos zu bringen, wurden fortan einige Studienplätze über eine zentrale Stelle vergeben. Der Vorläufer der Stiftung für Hochschulzulassung. Die Stiftung nimmt Bewerbungen entgegen, ordnet die Bewerber in die in Frage kommenden Zugangswege ein und vermittelt die deutschlandweiten Kapazitäten an die Bewerber. Allerdings besteht über den Zugangsweg der hochschuleigenen Zulassungsverfahren auch noch bis heute die Möglichkeit der Direktbewerbung an einer Universität. Diese Plätze sind rar und begehrt, außerdem bieten nicht alle Universitäten diese Möglichkeit an.

Im Grunde gibt es damit vier verschiedene Zugangswege zum Medizinstudium, die unterschiedlich großen Quoten folgen. Die mit Abstand größte Quote stellt die Abiturbestenquote. Hier geht es einzig und alleine um den sogenannten Numerus Clausus (NC), also die Abiturnote. Wer besser ist, malt zuerst. Bei Bewerbern mit gleicher Punktzahl (Abitur wird nach Bundesland gewertet) zählt das Los.

Wer mit einem schlechteren Abitur als gefordert antritt, kann seine Punktzahl mit dem Medizinertest, besonderen Leistungen vor dem Studium wie einer fachlich verwandten Berufsausbildung (bspw. Krankenschwester oder Notfallsanitäter) aufbessern. Wer auch dann noch nicht den geforderten NC erreicht, der darf auf die Zulassung nach Wartezeit hoffen.

Die Verteilung nach Wartezeit belegt eine wesentlich kleinere Quote als die Abiturbestenquote. Es wird zugelassen, wer am längsten wartet. Als wartend wird jedes Semester gerechnet das vergeht, ohne dass der Bewerber an einer deutschen Hochschule eingeschrieben ist.  In den 80er-Jahren konnte man dadurch selbst durch ein schlechtes Abitur darauf hoffen nach einigen wenigen Semestern zum Medizinstudium zugelassen zu werden. Der NC spielt bei der Zulassung nach Wartezeit primär keine Rolle. Nur die abgesessenen Wartesemester zählen. Bei Gleichstand wird nach besserem NC unterschieden, bei weiterem Gleichstand entscheidet das Los. Doch die Wartezeit ist in den letzten Jahren aufgrund immenser Bewerberzahlen auf ein neues Maximum geschollen. Bis zu 8 Jahren mussten Bewerber warten, um über die Wartezeit einen Studienplatz ergattern zu können.

Doch das wird sich bald ändern: Die Politik sah Handlungsbedarf und beschloss 2018 die Vorbereitungen auf ein neues Vergabeverfahren, das die Wartezeit abschaffen soll. Bis dato ist allerdings weder eine genaue Umsetzung, noch der Umgang mit den Alt-Wartenden geklärt die seit Jahren zu tausenden auf die Zulassung zum Studium warten.

Härtefälle sind schwierig zu erwirken, und nur durch aufwändige Anträge zu erreichen. Hier geht es um Ausgleiche benachteiligter Studenten, für die eine Ablehnung einen außergewöhnlichen Härtefall darstellen würde. Klingt kompliziert - Ist es auch. Die in der Härtefallquote zur Verfügung stehenden Plätze sind je nach Uni an ein bis zwei Händen abzuzählen, spielen also kaum eine Rolle.

In den letzten Jahren hingegen viel mehr zur Hoffnung vieler Studenten geworden sind die hochschuleigenen Zulassungsverfahren. Einige Universitäten vergeben einen kleinen Teil der zur Verfügung stehenden Studienplätze nicht zentral über die Stiftung für Hochschulzulassung, sondern über ein eigenes Bewerberverfahren für das andere, hochschuleigene Zulassungsvoraussetzungen gelten. Meistens folgt hier auf ein Bewerbungsverfahren ein persönliches Gespräch und einige Tests, die die Bewertung des Bewerbers erlauben.

Das berühmte Losverfahren hat in den letzten Jahren massiv an Bedeutung verloren und ist kaum noch existent. Ursprünglich wurden hierdurch leer gewordene Plätze durch Absagen in einem unkomplizierten Verfahren nach Los vergeben, auf das sich direkt bei der vergebenden Universität beworben werden konnte. Durch den immensen Überhang an Bewerbern resultierte die Registrierung der Losverfahren im gleichen Chaos das zur Gründung der Stiftung zur Hochschulzulassung führte.

Um einen Medizinstudienplatz an einer öffentlichen Universität in Deutschland zu bekommen, bleiben als nur drei Zugangswege:

  • Die Abiturbestenquote mit einem herausragenden Abitur oder Verbesserungsleistung mittels Medizinertest oder Berufsausbildung
  • Eine Aufnahme mittels Bewerbung in eines der wenigen hochschuleigenen Aufnahmeverfahren
  • Langjähriges Warten und das Sammeln von Wartesemestern (ACHTUNG! könnte wegfallen, soll in den kommenden Jahren reformiert werden)

Alternative Zugangswege zum Medizinstudium

Aufgrund der prekären Situation für viele verzweifelte Abiturienten in Deutschland hat sich eine regelrechte Industrie um das Medizinstudium entwickelt. Agenturen vermitteln gegen Gebühr angehende Studenten an Universitäten im Ausland (die ebenfalls wieder einiges an Geld kosten), und eine ganze Armada an Instituten bietet Kurse und Workshops für die Vorbereitungen auf Medizinertests im In-, und Ausland an. Desweiteren blühen auch in Deutschland seit einigen Jahren private Universitäten auf, die den Studiengang Humanmedizin gegen hohe Summen oder einen sogenannten "umgekehrten Generationenvertrag" (kostenlos studieren, später einen Teil des Lohns zurückführen) anbieten.

Außerdem findet jedes Jahr ein regelrechter Exodus deutscher Abiturienten nach Österreich statt, um dort an den Aufnahmetest, den sogenannten "MedAt" an einer der vier Universitäten mit medizinischer Lehre Wien, Innsbruck, Graz oder Linz zu schreiben.

Medizinstudium in Österreich

Es ist für deutsche Abiturienten möglich in Österreich Medizin zu studieren. Jedoch muss diese Hoffnung etwas relativiert werden, denn hier konkurrieren deutsche Bewerber mit allen anderen Bewerbern aus der EU um einige wenige Plätze, die jedes Jahr für Studierende aus dem EU-Inland vorgesehen sind. In Österreich wird der Zugang zum Medizinstudium zentral über den Zugangstest "MedAt" geregelt. Jeder Bewerber, egal ob ÖsterreicherIn, DeutscheR oder BrasilianerIn muss diesen Test bestehend aus verschiedenen Aufgaben zum logischen Denken, Biologie, Chemie, Mathe und ethischen Fragestellungen ablegen.

Alle Absolventen des MedAt konkurrieren um Studienplätze nach unterschiedlichen Quoten miteinander. Österreichische Staatsbürger konkurrieren untereinander um die größte Zahl verfügbarer Plätze. Die Bewerber mit der besten Leistung im Test bekommen den Platz - Abiturnote ist vollkommen egal. Deutsche Absolventen des MedAt konkurrieren hingegen nicht nur mit der immensen Zahl anderer Deutscher um eine wesentlich geringere Anzahl an Studienplätzen für EU-Inländer, sondern mit allen anderen Bewerbern aus dem EU-Inland.

Da gefühlt mittlerweile fast schon so viele Deutsche wie Österreicher bestens vorbereitet zum MedAt pilgern um dort ihr Glück zu probieren, ist das erforderliche Punktergebnis für deutsche Bewerber in den letzten Jahren auf bis zu über 90% der Gesamtpunktzahl gestiegen. Für viele Bewerber aus Deutschland ist der MedAt daher in den letzten Jahren zu einer herben Enttäuschung geworden, da trotz herausragender Leistung im Test kein Studienplatz errungen werden konnte.

Medizinstudium in Osteuropa

Einige Universitäten in Osteuropa, darunter Varna oder Sofia in Bulgarien oder Budapest in Ungarn (nur um mal die Bekanntesten zu nennen), kann Medizin in der Vorklinik auf Deutsch studiert werden. Kostenpunkt: Mehrere tausend Euro pro Semester plus Lebenshaltungskosten. Wer sich diese Summe leisten konnte, für hat sich diese Variante in den letzten Jahren als wahre Alternative zum jahrelangen Warten in Deutschland erwiesen.

Da das Interesse an diesen Angeboten in den letzten Jahren massiv zunahm haben sich hierfür eigene Vermittlungs-Agenturen gebildet, die den gesamten Vermittlungsprozess inklusive aller bürokratischen Angelegenheiten abwickeln. Natürlich ist auch dieser Service nicht kostenlos. Bedacht werden muss aber unbedingt: Der Wechsel zurück an eine deutsche Universität in ein höheres Fachsemester (meistens am Ende des Präklinik, um nicht in eine Sprachbarriere in einer ausländischen Klinik zu geraten) gestaltet sich von Jahr zu Jahr schwieriger, da die Konkurrenz auf diese durch Abbrechende frei gewordenen Plätze jedes Jahr durch eine zunahmende Zahl an Rückkehrern steigt.

Wer also nach dem Physikum (Vorklinik) in Deutschland weiterstudieren und sein Medizinstudium hier beenden möchte, der sieht sich unter Umständen mit der gleichen Situation wie für das 1. Semester konfrontiert.

Medizinstudium an einer privaten Universität in Deutschland

In Deutschland bieten einige private Universitäten den Studiengang Humanmedizin an. Berechnet werden dafür nach Aufnahme pro Jahr Beträge, die die 10.000€ schon mal deutlich übersteigen können. Möglich ist ein solches Studium unter anderem in Kassel, Hamburg (Vorklinik in Budapest), Nürnberg und Brandenburg. Dabei gibt es verschiedene Formen der Finanzierung von einem umgekehrten Generationenvertrag bis hin zu der Senkung der Studiengebüren bei Verpflichtung einige Jahre für eine bestimmte Klinik zu arbeiten.

Medizinstudium bei der Bundeswehr

Es ist möglich Medizin bei der Bundeswehr zu studieren. Dafür hat die Bundeswehr jährlich etwa 250 Plätze an öffentlichen Universitäten in Deutschland zur Verfügung, die sie natürlich zu besetzen versucht. Das Studium bei der Bundeswehr ist kostenlos, ein Aufnahmetest in einem Assessmentcenter mit Sportprüfung entscheidet über die Zulassung. Noch besser: Ab Studienbeginn steht einem Studenten der Bundeswehr eine monatliche Besoldung in Höhe von etwa 2200€ zu!

Warum pilgern dann nicht die Heerscharen die jährlich nach Österreich strömen zur Bundweswehr? Nun, das Medizinstudium bei der Bundeswehr hat einen Knackpunkt: 17 Jahre muss sich ein Bewerber für ein Medizinstudium der Bundeswehr verpflichten. Wird die Regelstudienzeit nicht erreicht, kann sich die Verpflichtungszeit nochmals verlängern. Nach Abschluss des Studiums ist man dadurch für mindestens weitere 11 Jahre an die Bundeswehr und die von ihr vorgegebenen Einsatzbereiche gebunden.

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