Wartesemester - Erklärung und Ablauf
Was sind eigentlich Wartesemester, wie bekomme ich sie und was bringen sie mir? Wir klären auf, zeigen dir was es mit diesen Semestern auf sich hat und wie du dadurch selbst durch eine schlechtere Abiturnote in deinen Traumstudiengang rutschen kannst. Außerdem unternehmen wir für angehende Medizinstudenten noch einen kleinen Kurs in die Diskussion rund um das neue Vergabeverfahren der Medizinstudienplätze und die Rolle der Wartezeit.
Zulassungswege zum Studium
Prinzipiell gibt es an öffentlichen deutschen Universitäten bei Studiengängen mit Zulassungsbeschränkung (NC) vier Zugangswege zum Studium. Jeder Zugangsweg hat eine eigene Quote innerhalb der verfügbaren Studienplätze. Gibt es weniger Bewerber als verfügbare Plätze so wird die Zulassungsbeschränkung aufgehoben, und jeder Bewerber der die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt wird zugelassen. Die Zugangswege sind:
- Hochschuleigenes Zulassungsverfahren (Bewerbung, Gespräche, Tests)
- Abiturbestenquote
- Wartezeit
- Härtefälle
Grundsätzlich ist die Gesamtzahl verfügbarer Plätze innerhalb der Abiturbestenquote am höchsten. Wer sich an der Uni für einen Studiengang über den normalen Bewerbungsprozess bewirbt, wird automatisch in der Abiturbestenquote geranked. Bewirbt sich noch jemand, wird die Abiturnote (NC) verglichen. Gibt es einen zu vergebenden Studienplatz wird der Bessere Bewerber zugelassen. Der NC in diesem Semester entspricht der Note des zugelassenen Bewerbers. Somit kann immer nur die Zulassungsgrenze (NC) des Vorjahres betrachtet werden, der diesjährige NC kalkuliert sich nach der Bewerberzahl und deren Noten.
Auf hochschuleigene Zulassungsverfahren muss man sich in der Regel gesondert mittels umfangreicherer persönlicher Bewerbung bewerben. Nicht alle Universitäten bieten dererlei Zulassung überhaupt an.
Härtefälle sind denjenigen Personen vorbehalten, für die eine Absage eine besondere Härte darstellen würde. Dies ist nur mit aufwändigen Anträgen und außergewöhnlichen Hintergründen zu erreichen, und zielt meistens auf eine unbedingte Ortsbindung ab.
Warten statt anfangen
Nun kommt die Wartezeit ins Spiel: Wer sich über den normalen Zugangsweg bewirbt wird über das Zulassungssystem automatisch bewertet. Dabei können zwei Faktoren zur Zulassung führen:
- Die Abiturnote (NC)
- Die Wartesemester
Doch was sind Wartesemester eigentlich? Als Wartesemester werden all die Semester (also Halbjahre) gezählt, die nach dem Erwerb der Hochschulreife (Abitur) verstrichen sind, ohne an einer deutschen Hochschule eingeschrieben gewesen zu sein. Dazu zählt also die Zeit, die nach der Schule für eine Berufsausbildung, Urlaub, Auslandsaufenthalt oder auch ein Studium im Ausland genutzt wurde.
Neben der NC-Grenze, die sich aus den Bewerbern und deren Noten in Relation zu den verfügbaren Studienplätzen errechnet, gibt es auch noch eine Wartesemester-Grenze. Wer über die Abiturbestenquote keine Chance hat, wird automatisch in der Wartesemester-Quote geführt. Hier konkurrieren die gesammelten Semester ohne Studium miteinander. Gibt es 20 verfügbare Plätze in dieser Quote, werden die 20 Bewerber mit der höchsten Anzahl an Wartesemestern zugelassen - Abiturnote unrelevant - es sei denn es gibt einen Gleichstand. Dann entscheidet NACH der Zahl der Wartesemester die Abiturnote.
Daraus ergibt sich auch die komplexe Darstellung in den Zulassungsergebnissen der Universitäten unter der Wartezeit: z.B. 6 (2,1). Das bedeutet es wurden alle Bewerber zugelassen, die mehr als 6 Wartesemester hatten. Die die genau 6 Wartesemester hatten wurden dann zugelassen, wenn der NC besser als 2,1 war. Gab es mehrere Bewerber die 6 Wartesemester UND den NC von 2,1 hatten, dann entschied das Los. Alle Bewerber mit weniger Wartesemestern oder 6 Wartesemestern und einem schlechteren NC wurden NICHT zugelassen.
Somit ist die NC-Struktur innerhalb der Zugelassenen sehr divers. Ein Bewerber mit einem NC von 3,8 kan zugelassen werden, sofern er mehr als 6 Semester gewartet hat. Hingegen ist ein NC von 1,5 (sofern nicht über die Abiturbestenquote zugelassen) in der Wartezeitquote irrelevant, sofern der Bewerber nicht ausreichend Wartesemester auf dem Konto hat.
Abschwächung der Wartezeit für angehende Medizinstudenten
Jahrelang war die einzige Hoffnung für angehende Medizinstudenten die Wartezeit. Mit einem Abitur von z.B. 2,1 gab es keine Chance auf Zulassung über die Abiturbestenquote oder durch Verbesserung des Schnitts mittels Medizinertest, FsJ, Berufsausbildung und anderen besonderen Leistungen. Dann half nur Warten und Wartesemester sammeln. Dieser Fundus an Wartenden schwoll in den letzten Jahren auf über 20.000 Wartende an. Die zu erbringende Wartezeit überstieg in den letzen Jahren mit teilweise 15 Semestern die Regelstudienzeit deutlich des Studiengangs deutlich, und Stimmen die die verfassungsrechtlich gewährleistete freie Berufswahl gefährdet sahen wurden laut.
Der Gesetzgeber und das Bundesverfassungsgericht sieht deshalb für die Zukunft ein anderes System für die Vergabe von Studienplätzen im Fach Medizin vor, als bisher. Dabei soll insbesondere die Wartezeit kippen (nicht etwa deutlich mehr Studienplätze geschaffen werden, die die Zahl der Wartenden senken würde). Unklar ist bis dato, wie dieses Gesetz aussehen und umgesetzt werden soll. Bekannt ist nur, dass anstelle der Wartezeit eine neue Quote eingeführt werden soll, bei der mehr Wert auf bisherige Leistungen wie Berufsausbildungen gelegt werden soll. Das wird jedoch nach Adam Riese die Zahl der Wartenden nicht verringern, sondern nur das Zulassungsverfahren ändern.
Aufgrund der prekären Situation rund um das Medizinstudium sollten sich Interessierte deshalb genau überlegen ob sich der Einstieg in eine ungewisse Wartezeit überhaupt lohnt.